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Freitag, 16. August 2013

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Die Sache mit dem Strohhut...Lyon wir kommen...

Nach unserem Aufenthalt in Dijon, schenkte mir Fabian seinen Strohhut, auf dass er mir Linderung verschaffe, denn die permanente Sonneneinstrahlung hat mir häufig Kopfschmerzen bereitet. Wir befinden uns nun in Lyon und werden Euch in diesem Artikel von unserem Aufenthalt in Dijon, dem Weg und dem Aufenthalt in Lyon berichten. Vorweg möchte ich Euch noch kurz warnen, denn es wird so ziemlich der längste Artikel sein, den wir bis jetzt veröffentlicht haben! Fangt nur an zu lesen, wenn ihr wirklich Ruhe habt...es wird diesmal auch ein wenig interaktiver ;) Aber lest selbst...


Die Anmeldung am "Camping du Lac" lief problemlos und wir konnten es kaum abwarten, das Zelt aufzubauen und zu duschen. Am nächsten Tag sollte unser Besuch eintreffen und bis dahin war unser Motto: "Relex"! Die Mitarbeiter des Platzes waren wirklich freundlich und sehr zuvorkommend. Viel haben wir an diesem Tag wirklich nicht mehr gemacht und es wurde auch schon zunehmend dunkler. Ab in die Koje!
Am nächsten Morgen machten wir uns erst einmal zum nahe gelegenen Intermarché auf, um etwas zum Frühstück einzukaufen. Nachdem wir unsere gewohnten Produkte eingekauft hatten, ein leckeres Frühstück genossen und die Sachen wieder alle im Rucksack verstaut waren, machten wir uns auf den Weg in die Stadt, denn unser "Rendez Vous" sollte etwa acht Kilometer am Stadtrand sein und bis dorthin wollten wir laufen.
Dijon hat wirklich eine wundervolle Innenstadt! Endlose kleine Gassen schlängeln sich teilweise über die großen Fußgängerzonen hinweg in nicht nachvollziehbare Winkel der Stadt. Ein bisschen fühlte ich mich wie ein "wackel Elvis", denn mein Kopf bewegte sich hin und her, um alles einzufangen was es zu sehen gab.
Gerne hätten wir uns etwas länger in der Stadt umgesehen, jedoch mussten wir uns etwas sputen, da wir nicht ganz genau wussten wo das Motel liegt und wir auch niemanden warten lassen wollten.
Stunde um Stunde zogen sich die acht Kilometer, die wir schon längst überschritten hatten, bis wir dann doch noch das Motel in dem Stadtteil "Autocité" erreichten. Nach dem Check-In quollen meine Augen auf, als wäre spontan ein Lemuren-Männchen aus mir geworden! Das Zimmer war zwar klein, aber fein. Das allerbeste war für mich sowieso die Klimaanlage. Nach einigen Stunden, einer Dusche und einer Siesta im Doppelbett, traf unser Besuch ein. Da es schon ziemlich spät geworden war, klammerten wir uns an den letzten Strohhalm, um an ein Abendessen zu kommen und heizten mit vollgas zum "Restaurant rapide".




Grad noch geschafft! Mit vollem Bauch lag ich dann im angenehm kühlen Raum und konnte mir eine super interessante Reportage auf Arte angucken. Schlafenszeit Kareem...morgen ist viel zu tun! Der nächste Tag war wirklich ein Sack voller toller Dinge. Zu unserem Glück befindet sich in Dijon ein riesengroßer Outdoorshop, indem wir neue Schuhe für Haliim finden sollten. Wir waren echt den halben Tag in dem Laden, da Haliim die Schuhe ja auch etwas tragen sollte, um herauszufinden, ob es auch die Richtigen sind! Nach etwa drei Stunden hatten wir dann ein passendes Paar gefunden und wir wollten noch etwas in die Stadt. Es war wirklich eine Bullenhitze an dem Tag und so beschlossen wir beim Lidl anzuhalten und einige Getränke für den Abend einzukaufen. Da wir nicht davon ausgingen, in der Stadtmitte einen Parkplatz zu finden, parkten wir ziemlich weit draußen und liefen den Rest. Sollte eigentlich kein Problem sein, jedoch hatte ich den Kompass im Motel gelassen und so wurde aus einem kurzen Spaziergang ein etwas längerer, der -würde man ihn auf einer Karte einzeichnen- ungefähr so aussehen muss, wie ein Blatt Papier, dass von einem Kleinkind mit Buntstiften traktiert wurde. So wurde es schon später Abend, als wir die Innenstadt erreicht und damit begonnen hatten, ein geeignetes Restaurant zu suchen. Dies sollte sich auch nicht als so einfach herausstellen, denn entweder waren die Restaurants brechend voll, oder es gab unser "Lieblingsgericht": Pizza! Ich glaube ich habe schon einmal davon abgeraten in Frankreich Pizza zu essen?! Nun, man kann das nicht oft genug sagen, denn jeder der Italienische Pizza kennt, wird sich wundern. Wie auch immer, nachdem wir wieder eine gefühlte Ewigkeit unterwegs waren, haben wir uns letztendlich für Sushi entschieden.
Erstaunlicherweise gibt es davon in Frankreich eine ganze Menge. Besondern in den Großstädten. Nach diesem vorzüglichen Mahl ging es dann wieder in Richtung Motel, denn am nächsten Tag sollte es zunächst wieder Richtung Campingplatz gehen, damit wir uns -wie wir es nennen- akklimatisieren können. Warum es keine Bilder gibt?! Gute Frage! Manchmal will immer noch nicht so ganz der Kameramann aus mir herausbrechen! Sorry! Am vorletzten Abend haben wir dann Fabian kennen gelernt, mit dem wir uns wirklich angeregt und nett unterhalten haben (von Ihm bekam ich dann den Strohhut geschenkt, auf dass er mir einen kühlen Kopf verschaffe. Tausend Dank nochmal!). Am letzten Abend speisten wir dann zusammen und wir kombinierten eine Empfehlung eines Ungarn den Fabian unterwegs getroffen hatte, mit unserem Outdoor-Reis-Sahne-Topf.


Das Rezept zum nachkochen (besonders für Studenten und Singles ohne Kocherfahrung geeignet!):  Für Zwei Personen Zutaten: 400 Gramm Reis (am besten spitzen Langkorn) Ein Becher Schlagsahne Zwei Gemüsebrühwürfel Kräutermischung (Kräuter der Provence) Salz Pfeffer Bringe nun 2,2 Liter Wasser in einem Topf zum kochen. Achte darauf, dass im Topf nach oben hin noch ausreichen Platz ist! Wenn das Wasser vollkommen siedet, schütte den Reis ins Wasser und sorge durch rühren dafür, dass der Reis gleichmäßig im Topf verteilt ist (den Topfdeckel danach nicht wieder auf den Topf!). Nach Zehn Minuten, solltest Du den Reis immer wieder mal probieren. Wenn er Dir für Deinen Geschmack gar genug ist, nimm ihn von der Herdplatte und setze den Deckel drauf. Nun nimmst Du Dir ein Handtuch und schüttest vorsichtig soviel Wasser ab, dass im Topf noch knapp ein Liter Wasser enthalten bleibt. Öffne nun die Brühwürfel und zerbrösel sie sorgfältig über dem Reis. Alles kräftig umrühren, damit sich die Brühwürfel im Wasser auflösen können! Nachdem nun alles aufgelöst und ausreichen vermengt ist, schüttest du die Sahne hinein. Wiederholt kräftig umrühren! Zu guter letzt gibst Du nach eigenem Ermessen und Geschmack, Salz, Pfeffer und Kräuter hinzu. É Voilà...fertig! Du kannst das Rezept auch ganz einfach noch mit ein bisschen Pute und Champignons erweitern. Bei uns ist es halt minimalistisch damit wir möglichst wenige Zutaten mitschleppen müssen! Bon Appetit!
Nachdem wir unsere Sachen gepackt hatten und ein scheinbar endloses Industriegebiet hinter uns ließen, erreichten wir die Weinstraße der wir einige Kilometer folgten. Es war wieder ein herrlicher, sonnen reicher Tag und wir beobachteten die Arbeiten im Weinberg. Ich glaube mir viel zu allererst auf, dass die Landschaft zwar wunderschön war, es jedoch weit und breit keinen Schatten gab, indem man sich ein Paar Minuten ausruhen konnte. Die ganze warme Luft -die sich am Hang staut- brachte ein Gefühl von Wüste mit sich! Mühselig setzte ich einen Fuß vor den nächsten, immer weiter, in der Hoffnung doch noch einen geeigneten Rastplatz zu finden, denn mittlerweile waren wir schon wieder ein Paar Stunden unterwegs und die Mittagssonne brannte unnachgiebig auf unsere Köpfe. "Da ist doch was!" Meine Augen streiften durch eine Reihe von Reben auf eine Felswand zu, die mir verdächtig nach einer Höhle aussah. Tatsächlich! Eine Höhle!  
Ich fühlte mich wie in einem Indianer Jones Film und erkundete sofort das Gelände. Ein vorzüglicher Platz für eine ausgiebige Mittagspause! Überall raschelte es, kleine Echsen suchten sich ihren Weg durchs Blattwerk. Eine Schaar von Schmetterlingen suchte ebenfalls Zuflucht vor der Sonne und wir ließen uns auch nieder, um ein wenig abzukühlen. Es war wirklich ein Segen diese Höhle zu finden, denn es gab wie gesagt weit und breit rein gar nichts, was auch nur ein klein wenig Schatten spendete. Irgendwie wollten wir gar nicht mehr weg, denn dieser Platz war so animalisch, ruhig und voller Leben zugleich, dass es uns eine Freude war einfach dort zu sitzen, schweigend und lediglich die Natur betrachtend. Nach etwa einer Stunde zog es uns dann aber doch wieder auf die Piste, denn wir wollten einen etwa Acht Kilometer entfernten See erreichen, um dort zu übernachten. Bei dem Wetter ohne ein Bad oder eine Dusche?! Nein, Du willst niemals nie nicht nein unter keinen Umständen mit jemandem der den ganzen Tag wie ein Ochse gebuckelt und geschwitzt hat in einem Zelt liegen! Glaube es mir, nicht einmal mit Dir!


Am späten Abend erreichten wir dann den See, wo wir uns erstmal im Schatten niederließen und die Bauern bei der Weizenernte beobachteten. Es es wirklich erstaunlich, wenn man das einmal mit ansieht. Wenn man sich vor Augen führt wie hochtechnisiert heutzutage eine solche Ernte ist und man dann darüber nachdenkt, dass vor nicht all zu langer Zeit das alles noch von Hand gemacht wurde. Stunde um Stunde zog der Mähdrescher seine Bahnen. Ab und an nahmen die Traktoren die Fährte auf, um den fertig bearbeiteten Weizen in den Anhänger abfüllen zu lassen. Diese riesigen Maschinen erledigen die Arbeit von gut und gerne 100 Feldarbeitern. Manchmal ist es schon paradox, wenn wir uns andauernd fragen wohin die ganzen Arbeitsplätze verschwinden, in einer Zeit, in der immer mehr technisiert wird. Wie auch immer, es ist trotzdem mehr als spannend und so beobachteten wir dieses Spektakel bis die Sonne schon fast ganz am Horizont verschwunden war. Wenige Handgriffe und das Zelt stand wie gewohnt. Ein guter Reis-Sahne-Topf und wir fielen in einen festen Schlaf. Morgens ging es weiter Richtung Beaune, was wir jedoch an diesem Tag nicht erreichen sollten! Stattdessen führte uns der Weg über wunderschöne Landstraßen -wunderschön durch die riesigen Felder drum herum- und kleine Dörfer, die fein herausgeputzt waren, zu unserem Zeltplatz an einem Dorfrand. Der augenscheinlich ein aufs schönste herausgeputzter Picknickplatz war. Zu unserem Glück befand sich der Dorffriedhof gleich gegenüber und so war auch die Wasserversorgung kein Problem.


So erreichten wir am nächsten Tag frisch aufgetankt Beaune. Am Stadtrand begrüßte uns eine Allee von Kirschbäumen, deren Früchte dunkelrot und üppig von den Bäumen hingen. Man war das ein Frühstück! Wir hielten uns einige Zeit dort auf, denn es waren die köstlichsten Kirschen, die ich je gegessen habe. Nachdem wir bei einem nahe gelegenen Supermarkt ein "vollwertiges" Frühstück eingekauft hatten, machten wir uns daran die Stadt zu erkunden. Wir hatten natürlich das Glück, dass genau an diesem Tag die ganze Stadt voll mit Touristen war und es an manchen Stellen nicht zu ertragen war: Gedränge, Hektik, nichts für mich! Noch ein Paar Schnappschüsse und dann auf in den herrlichen Stadtgarten! Siesta ist angesagt, denn es war bereits Mittag und die Sonne wieder voller Energy im Zenit!



Oh ja, das Geheimrezept des Wanderers! Schattiges Plätzchen suchen, Isomatte ausrollen und einfach mal ein Nickerchen machen. Es gibt wirklich nichts besseres, um an solch einem Tag wieder zu Kräften zu kommen. So sollte es dann auch kommen, dass wir an diesem Tag noch zwölf Kilometer dran gehangen haben, um einen See zu erreichen. Die Aussicht auf ein Bad hat uns nochmal einen erheblichen Schub versetzt und nachdem wir eine Kleinigkeit gegessen hatten, ging es mit "Superpin" zügig weiter. Der Weg dorthin zog sich wie Kaugummi. Noch einmal die Wasservorräte aufgefüllt und da lag er auch schon vor uns: der öffentliche See bei Tailly.


Was Haliim und ich wirklich jedes mal aufs neue bemerkenswert finden, ist der Umgang der Franzosen mit öffentlichem Gut! Nun ja, ich meine natürlich jetzt nicht gerade Paris oder Marseille - die ganz bestimmt Ausnahmen sind - aber im Großen und Ganzen. An diesem See gibt es z.B. öffentliche "Dixi-Klo´s" die so sauber sind, dass man sich mit Vergnügen drauf setzt! Haliim: "Ich schwöre, ich habe in meinem ganzen Leben als Handwerker noch niemals so ein sauberes Dixi gesehen!" So macht es gleich doppelt soviel Spaß an solch einem herrlichen, gepflegten Ort zu verweilen und einfach eine Runde zu plantschen. Nachdem wir uns ausreichend erholt hatten, führte uns unser Weg nach Chalon-Sur-Saône. Einen halben Tag durch den Wald ging es und so manch einer von Euch wird jetzt sagen:"Oh wie schön! Da macht das Wandern aber Spaß!" Dääääääät, Fail! Aber sowas von...ich kriege schon wieder Zustände, wenn ich daran denke! Jetzt muss ich dazu sagen, dass sich die Präsenz der Insekten hier schon ein wenig von der in Deutschland unterscheidet. Zumindest sind einige Subjekte um mehr als ein vielfaches größer und haben ganz spezielle Vorlieben. So haben wir z.B. die "In your Face" Fliege entdeckt, die es super findet, in Augen, Nase und Mund zu fliegen. Sie ist dabei so präzise, dass man es erst merkt, wenn es zu spät ist. Auch ein heiß begehrter Kandidat ist die Stechfliege, die einem Flatschen hinterlässt, als hätte man die Beulenpest -davon mal abgesehen, dass es höllisch weh tut! Und zu guter letzt die Mücken, die erstens doppelt so groß sind, als in meiner Heimatregion und obendrein noch in Schwärmen im Wald herum schwirren, als würden sie explizit auf uns warten. Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen und unsere war so einfach, wie sie bescheuert ausgesehen haben muss! Man nehme ein Messer, hacke einen daumendicken Ast mit vielen Zweigen und blättern ab und wedele damit wie ein verrückter um seinen Kopf herum. Nach zwei Stunden kommt man sich nicht nur bescheuert vor, sondern hat so viele Flüche ausgesprochen, dass sich unsere Schutzengel die Ohren zugehalten haben müssen. Warum wir kein Spray drauf gemacht haben?! Toller Witz! Wir haben das beste Spray was es in Deutschland zu kaufen gibt dabei, jedoch scheinen diese Subjekte da im Wald so hart drauf zu sein, dass sie selbst das nicht stört - und wir haben das Zeug vorher getestet! Im Wald hilft nur der Wedel sonst NIX! Total entnervt erreichten Wir Chalon-Sur-Saône, aber der Tag hielt noch eine weitere Überraschung bereit. Der Campingplatz befand sich nämlich genau auf der anderen Seite der Stadt, was für uns bedeutete, dass wir noch einmal gute Sieben Kilometer drauflegen mussten. Das einzige wirkliche Sahnehäubchen war lediglich, dass der Campingplatz direkt an der Saône lag und das Intermarché nur zehn Minuten Fußweg entfernt lag. Dort blieben wir erst einmal einige Tage, denn wir sollten einige nette Menschen kennen lernen! Nur mal als Info am Rande...wir erwähnen nicht alle Begegnungen explizit! Das hat zum einen den Grund, dass es einfach zu viele sind, zweitens, dass ich mir einfach nicht alle Namen merken konnte und drittens, weil wir unser Augenmerk auf die ganz speziellen Menschen legen wollen, deren Erfahrungen einen Mehrwert für uns alle darstellen. Wie auch immer, die Tage vergingen wie im Flug und schon bald erlitten wir wieder dieses Fußkribbeln, was immer beizeiten dazu führt, dass wir weiter ziehen. Nun hatten wir das Glück, dass von Chalon aus ein erstklassiger Radweg bis nach Macôn führte und wir also ganz getrost die Karte und den Kompass beiseite lassen konnten, um die Natur zu genießen. Diesmal blieben die Stechfliegen, Mücken und alles andere aus -Alhamdulilllah!
Schnell bemerkten wir auch wie fabelhaft dieser Weg war, denn neben einigen Erfrischungen durch leichten Sprühregen, hielt er eine ganz besondere Überraschung für uns bereit. Dieser ausgezeichnete Radweg entzückt nämlich alle knapp zehn Kilometer mit einem wunderbaren Picknickplatz, bei denen es fast jedes mal auch eine öffentliche Toilette, sowie fließendes Wasser gab. Alhamdulillah, was für eine Erleichterung! Obendrein gab es am Wegesrand eine exakte Kilometerangabe, die uns fortwährend Gewissheit darüber gab, wie weit wir gekommen waren. Keinen Stress bei der Suche nach einem Zeltplatz ist neben einer exzellenten Wasserversorgung wohl das Höchste der Gefühle, wenn man Abends einfach hundemüde ist und nur noch schlafen möchte.
Zudem hielt der Weg einige wunderbare Eindrücke für uns bereit. Sehr alte Bauernhöfe bei denen zum Teil auch Überreste von alten Glockentürmen zu sehen waren sowie kleine Gutshöfe die einem das Gefühl gaben, zurück im Mittelalter zu sein. Es ist immer wieder eine Augenweide, wenn man an diesen alten Gemäuern vorbeistreift und sich die Zeit nimmt einige Minuten zu verweilen, um alles in sich hineinzusaugen. So spazierten wir recht komfortabel zwei Tage auf dem Radweg bis wir Saint-Gengoux-le-National erreichten. Der Ort begrüßt den Wanderer/ Radfahrer mit einer beeindruckenden Kulisse der Vergangenheit, denn wie sich dort herausstellte, war der Radweg auf dem wir uns befanden eine ehemalige Bahnstrecke, auf der in alten Zeiten Passagier- und Frachtzüge ihre stählernen Körper durch die Landschaft zogen. Zu unserer Erleichterung gab es dort nicht weit von dem Picknickplatz entfernt, auch einen Supermarkt und eine Tankstelle, wo wir Benzin und einige Früchte erwerben konnten.

Das Areal rundum den Picknickplatz, an dem auch noch ein großer Parkplatz für Wohnmobile angeschlossen war, beherbergte auch eine riesige Wiese, auf der ein kleiner Wanderzirkus seine Manege aufgebaut hatte. Da war vielleicht was los! Kinder liefen umher, spielten, tobten und jubelten, während die Erwachsenen gar nicht hinterher kamen und nach einer Weile resignierend das Handtuch warfen. Der ein oder andere Baute seinen Grill auf und es roch herrlich nach Fleisch und Gemüse, ja irgendwie ein bisschen nach Sommer in der Heimat! In diesen Momenten wünschen wir uns dann doch manchmal nach "Hause" zu Freunden und Familie, um mit ihnen auch so einen herrlichen Sommerabend zu verbringen, zu grillen, quatschen, lachen und das Zusammensein genießen. Nun hat mal eine Weise Musikerin gesagt: "And he don't know what he has got till it's gone!" Es ist nicht so, als wüssten wir nicht zu schätzen was wir hatten, jedoch glaube ich, dass man viel sensibler wird, wenn es um diese kleinen Zusammenkünfte geht. Man merkt einfach wie verzerrt man die Dinge zu sehen scheint, wenn man kein "Fremder" ist. Wenn alles so greifbar und selbstverständlich zu sein scheint. Ein neu gewonnenes Distanzgefühl öffnete mir die Augen für viele Dinge, die ich mittlerweile unter dem Begriff "Realitätsverzerrung" anhäufe: So oft habe ich ein wiedersehen verschoben weil ich eine Distanz von wenigen hundert Kilometern hätte zurücklegen müssen, dass ich mich heute nur noch kopfschüttelnd frage: "Was bist Du nur für ein Freund?" Wie auch immer, ich schweife wieder zu weit vom Thema ab. Jedenfalls gaben wir unsere Gedanken an diesem Abend ganz der Phantasie hin und malten uns herrliche Grillveranstaltungen mit Freunden und Familie aus.

Am nächsten Morgen -nachdem wir ein für unsere Verhältnisse üppiges Frühstück eingenommen hatten- machten wir dann Bekanntschaft mit einer netten Dame, die sich auf dem Jakobsweg befand. Der Weg führte sie zufällig ein Stück über diesen Radweg. Leider habe ich ihren Namen vergessen -ich sollte mir wirklich mehr Notizen machen- jedoch war es anfangs eine sehr lustige Begegnung, denn sie fragte mich etwas auf Französisch, worauf ich ihr dann auch auf Französisch antwortete und wir bemerkten erst einige Zeit später, dass sie Deutsch sprach: "Meine Dame, sie können ruhig deutsch mit mir sprechen!" - "Welch ein Glück! Mein Französisch ist wirklich nicht sehr gut", sagte sie und war sichtlich erleichtert. "Ihrem Rucksack nach zu Urteilen, befinden sie sich auf dem Jakobsweg nehme ich an", sagte ich mit einiger Gewissheit in der Stimme. "Ja ja", sagte sie mit freundlicher Stimme und war erstaunt, dass ich gleich erkannt hatte, dass ihr Rucksack einiges schwerer war, als das Gepäck der "Spaziergänger" die man sonst als Jakobspilger trifft. Man trifft nicht wirklich viele Menschen, die zu Fuß unterwegs sind und augenscheinlich einiges mehr an Last mit sich führen, als die schon einmal erwähnten "Daywalker". Zudem war sie auch noch ganz alleine unterwegs! "Meine Hochachtung", sagte ich - Nach einigem hin und her sprachen wir auch von unserem Projekt. Sie war vor Begeisterung gar nicht mehr zu halten. So plauderten wir sehr angeregt eine gute Stunde, als sie plötzlich wie aus einem Tagtraum zu erwachen schien und sagte: "Oh weh, es ist schon ganz schön spät geworden! Ich muss los! Ich gehe nach Taizé, das sollten sie sich nicht entgehen lassen. Dort werden Pilger auch bevorzugt aufgenommen!" - "Klingt gut! Vielleicht sehen wir uns dann später?! In jedem Falle alles Gute und >>bon Couragé<<!" - so verabschiedeten wir uns und begannen auch gleich damit, unsere Sachen zu packen. Taizé, davon hatte Haliim schon einmal gehört und es ist ihm ebenfalls nahe gelegt worden. So beschlossen wir also -zumal es sowieso auf dem Weg lag- eine Nacht dort zu verbringen. Rucksack geschultert...auf gehts! Nach wenigen Stunden hatten wir Taizé auch schon erreicht, denn es lag nur Zwölf Kilometer entfernt. Nach einer ersten netten Bekanntschaft, die uns alles erklärte und zur Rezeption führte, waren wir erstmal baff. Das ganze Dorf war ein einziges Jugendlager! Nach einem netten "Aufnahmegespräch" und einer kleinen Spende, erhielten wir noch einige weitere Informationen über Taizé. Zur Zeit befinden sich rund 3000 Kinder und Jugendliche in Taizé. Es ist ein christlich-ökumenisches Jugendlager, wo wir zusammen beten, essen, singen und tagsüber noch einige Workshops mit den Jugendlichen durchführen. Den Jugendlichen aus aller Welt dient das Camp zum Austausch, Kennenlernen und des Zusammenseins. Plötzlich erblickte ich eine Dame, die völlig aufgeregt am Ärmel eines Mitarbeiters des Lagers zupfte und mit dem Finger auf uns zeigte. "Da, da sind die beiden ja", hörte man sie sagen. Dann erkannten wir sie: die Dame von heute Morgen! "Das sind die Zwei von denen ich erzählt habe! Ist das klasse, dass ihr hierher gekommen seid!" Auch wir haben uns wirklich gefreut sie dort wieder zu treffen.


Kurz nach dem Wiedersehen gab es einen zweiten Grund zur Freude: Wir brauchten das Zelt nicht aufzubauen. Dieser Mikrokosmos hatte wirklich alles! Zeltplätze mit fest installierten Zelten -vorzustellen wie in einem Hilfslager- eine Kirche, eine Ausgabe für die Mahlzeiten, einen Bereich wo sich ein kleiner Laden zum einkaufen befand, sowie eine kleine "Barackenstadt", die wie aus einem Western-Film entsprungen zu sein schien. Das konnten wir am nächsten Tag noch etwas näher erkunden, bevor es dann weiter gehen sollte. Zunächst packten wir aber unsere Sachen aus, bezogen die Betten und streiften etwas herum. Das Abendessen hatte wir noch nicht verpasst und so freuten wir uns umso mehr als wir sahen, dass es auch eine extra Stelle für vegetarisches Essen gab. Witziges Spektakel: 3000 Kinder und Jugendliche, die wild darauf waren ihr Abendessen zu bekommen. Ihr könnt euch vorstellen, dass die Essensausgabe in dem Fall eher einer Fütterung gleichte.


Am Abend stellten wir überrascht auf unserem Zimmer fest, dass alle abrahamitischen Religionen vertreten waren. Es folgten wirklich angeregte und ausgelassene Gespräche, die in viel Blödelei und Gelächter ihren Höhepunkt fanden. Dieses Treffen hat mich wirklich zum nachdenken gebracht. Wäre dies nicht vielleicht ein Weg all die Missverständnisse und Konflikte zu beseitigen?! Ich bin der festen Überzeugung, dass es gerade dieses Gefühl von "Fremdheit" ist, dass so große Hemmungen verursacht und einen Eckpfeiler in der bis heute immer wiederkehrenden Entzündung von Hass und Gewalt darstellt. Wäre es nicht großartig einen solchen Platz zu etablieren, an dem sich die Menschen schon als Kinder begegnen, sich beschnuppern und die ein oder andere Sicht auf die Dinge von anderen Menschen aufnehmen können?! Wäre dies nicht ein Mittel dagegen diese "Fremdheit" abzubauen und dafür zu sorgen, dass mit der Zeit ein vernünftiger Dialog entstehen kann?! Einen Fremden schlägt man viel leichter und hemmungsloser, als jemanden, der einem nicht fremd erscheint. Wie dem auch sei, zumindest war es für uns eine riesen Bereicherung. Und so verließen wir Taizé am nächsten Morgen etwas wehmütig in Richtung Cluny.


Cluny war wirklich schön, jedoch waren an diesem Tag so unglaublich viele Touristen dort, dass wir nach einer Weile keine Lust mehr hatten uns dort aufzuhalten. Da es auch noch ganz schön heiß war, beschlossen wir eine Erfrischung zu uns zu nehmen und uns gleich wieder auf den Weg zu machen. Wir folgten einer endlos scheinenden Bergstrecke, die mir mehr als einmal die Lust nahm weiter zu gehen! Jede Stunde mussten wir eine Pause einlegen, denn dieses "Bergauf" bei 35° ohne jeden Windhauch hat mich echt umgehauen. Den letzten Nerv verlierend, bockig und völlig überhitzt stellten wir fest, dass wir bei dem Auf und Ab lediglich halb um einen Berg herum gegangen waren, den wir dann auf mysteriöse Weise durchqueren sollten. Als gebe man einem weinenden Kind einen Lutscher - das untere Video gibt aufschluss ;-) bis gleich...


Und? Kalt, oder? :-D Nach dem Gefühl aus einem Eisschrank zu kommen, brauchten wir draußen erst einmal eine Weile um uns wieder an die Temperatur zu gewöhnen. Meine Motivation war jedenfalls wieder vollkommen da. Der Weg blieb gemütlich und der Tag näherte sich langsam dem Ende. Wir passierten noch ein letztes Dorf an diesem Tag, welches uns mit einem herrlichen Anblick seine Aufwartung kund tat.

An diesem Abend fanden wir wieder einen dieser wunderschönen Picknickplätze, der zudem günstig an einem Bach lag, sodass wir uns waschen konnten. An diesem Abend waren noch erstaunlich viele Radfahrer unterwegs und der ein oder andere hielt kurz an, um sich mit uns zu unterhalten. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie gesellig die Franzosen sind und von Scheu ist wirklich auch nicht die geringste Spur zu vernehmen. So kommt es auch häufig vor, dass sich so manch lustige Situation aus meinem notgedrungenen Pantomimen ergibt. Glücklicherweise kommt man so auch nicht drumherum, dass ein oder andere Wort zu lernen und nach einer Weile reiheb sich Bröckchen an Bröckchen. Noch ein Abendessen, eine Mütze Schlaf und dann geht es auf nach Macôn. Da dort auch der Radweg aufhörte, berieten wir darüber, wie wir den Weg fortsetzen sollten. Nun sollte es ab Macôn nicht einfach werden, denn es war jetzt wirklich nicht mehr weit bis Lyon. Als wir die Außenbezirke von Lyon erreichten, stellte sich uns eine neue Hürde über die wir nicht nachgedacht hatten. Das Problem an diesen großen Städten ist nämlich, dass man zusätzlich zu der Tagesetappe auch noch das Stadtzentrum erreichen muss, um Informationen in der Touristinfo zu erhalten. Dies kann einen manchmal gut und gerne 20 Kilometer kosten und wenn man dann noch extra viel Glück hat -wie in unserem Fall-, liegt der nächste Campingplatz noch einmal 25 Kilometer außerhalb. "Ne, Haliim, beim besten Willen nicht!" Da waren wir uns eigentlich ziemlich einig und so steuerten wir die Jugendherberge an, die im Stadtteil "Vieux" liegt. Nach etwa 40 Minuten erreichten wir das Areal und mussten zu unserem Ärger feststellen, dass die letzten Meter zur Herberge eine kleine Überraschung für uns beinhalteten, denn die "Auberge de Jeunesse" lag an einem Hang den wir erst einmal erklimmen mussten. Schweißgebadet kamen wir schließlich an und nach einigen Formalitäten bezogen wir unsere Betten in einem Sechzehn Personen Zimmer. Erst einmal ne Dusche! Wie neu geboren verließen wir noch einmal das Zimmer, um auf der Terrasse noch ein kaltes Getränk zu uns zu nehmen und den Abend ausklingen zu lassen, als wir mit einem atemberaubendem Anblick für unsere Mühen belohnt wurden!


Dieser Ausblick hat wirklich alles wieder gut gemacht und erst in diesem Moment schallten mir Fabians Worte wieder durch den Kopf: "Wenn ihr in Lyon seit, müsste ihr unbedingt eine Nacht in der Jugendherberge verbringen! Der Weg geht zwar steil bergauf, jedoch ist die Aussicht Atemberaubend!" Und so saßen wir dort, Stunde um Stunde, denn wir konnten uns einfach nicht daran satt sehen! Und so kam es dann auch wohl, das aus einer geplanten Übernachtung eine Woche werden sollte, bevor wir diesen wundervollen Ort -der mit internationalen Bekanntschaften nicht geizen sollte-  verließen. In der Tat haben wir so viele Menschen kennen gelernt, dass es mir fern lag all diese Namen zu behalten. Es war so überaus anregend in dieser ungezwungen Atmosphäre zu sein, sich einfach irgendwo mit an den Tisch zu setzen, zuzuhören, mitzureden, sich auszutauschen, dass die Tage wirklich wie im Flug vergangen sind. An solch einem Platz fühlt man sich keines Wegs mehr wie ein Exot. Im Gegenteil, zwischen all diesen Persönlichkeiten ist das was wir machen eine ganz "alltägliche" Sache! Eine ganz besondere Begegnung hatte ich allerdings doch! George, der seines Zeichens 36 Jahre Chefingenieur auf verschiedenen Schiffen war, sorgte bei mir für ganz besonders spitze Ohren. Wie oft bekommt man schon die Gelegenheit mit solch einem Seebären ins Gespräch zu kommen und so habe ich es mir auch nicht nehmen lassen, ein Interview mit ihm zu führen (an dieser Stelle muss ich darauf hinweisen, dass es von höchster Wichtigkeit ist, den Untertitel einzuschalten, denn ansonsten ist es so gut wie unmöglich seinen Ausführungen zu folgen).


Nun, da Ihr wahrscheinlich schon gute 40 Minuten mit diesem Artikel und den beinhalteten Videos beschäftigt seid, möchte ich nur noch ein paar Bilder zum Besten geben. Wir verließen Lyon-City mit unseren Freunden, die uns besuchen kamen Richtung Campingplatz und verbrachten noch ein Paar nette Tage mit Ihnen, aber davon berichten wir Euch beim nächsten mal!










Au Revoir! Und nicht vergessen...bleibt uns auf den Versen!...ONE...

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

super artikel macht weiter so

Anonym hat gesagt…

es ist immer wieder spannend von euch zu lesen!
Möge Allah euch beschützen

Anonym hat gesagt…

Schade, dass man seit Mitte August nichts mehr von euch zu lesen bekommt. Muss ja nicht immer Abendfüllend sein. Gucke zwar öfters rein, aber so langsam verliert man als Follower des Blogs die Lust und das Interesse an der Geschichte. Hoffe trotzdem, dass es euch gut geht und ihr wohlauf seid!